Rosengeschichten

Der Rosenzüchter - Eine Geschichte von Alois Gruber



Ein Mann, der den Duft der Rosen über alles schätzte, beschloss Rosenzüchter zu werden und dass er die schönste Rose der Welt haben wollte. Er kannte bereits alle Details der Rosenzucht und war bestens gebildet in den dafür hilfreichen Wissenschaften. Biologie, um den Nährstoffkreislauf zu verstehen. Chemie, um den optimalen Dünger erstellen zu können. Physik, um die idealen Verhältnisse von Licht und Temperatur zu gewährleisten. Genetik, um gezielt die Eigenschaften bestimmen zu können. Und noch allerlei anderes hilfreiches Wissen hatte er gewissenhaft angehäuft. Manche Leute können gar nicht glauben, wieviel es in der Rosenzucht zu wissen gibt.


Um seinem eigenen Anspruch als Rosenzüchter gerecht zu werden, wollte er den optimalen Start hinlegen und so begab er sich auf den Weg zu einem weltbekannten, anerkannten Rosenzüchter um ihn um Hilfe zu bitten. Dort angekommen, erkannte der erfahrene Rosenzüchter sofort, dass der Mann eine wahre Liebe zu Rosen hatte und nicht des Ruhmes wegen Rosen züchten wollte. Der Mann erzählte von seiner Idee, die schönste Rose der Welt haben zu wollen und der weise Rosenzüchter nickte und antwortete:„Weißt du, als ich noch jung war, da begegnete ich einem Rosenzüchter, der noch viel weiser war, als ich es jemals sein werde und er erklärte mir, dass es im Grunde recht einfach ist, die schönste Rose zu finden. Du kannst dir vielleicht vorstellen, wie verwundert ich war, da ich doch wusste, wie kompliziert der Weg sein könnte. Er stellte mir eine Aufgabe, die ich nun an dich weitergebe, denn ich habe die Aufgabe für mich gelöst“

Mit diesen Worten verschwand der wissende Rosenzüchter kurz in seinen Rosengarten und kam mit einer kleinen Schachtel und einem kleinen Blumentopf zurück. Er begann zu erklären: „In dieser Schachtel sind 1000 Samen von Rosen der ganz besonderen Art. Ich weiß, unter diesen Samen befindet sich auch derjenige, für die schönste Rose der Welt. Dieser Blumentopf enthält eine ganz spezielle Erde und die Samen können ihre volle Pracht nur in dieser Erde entfalten. Der Topf ist genau so groß, um für das Wurzelwerk 1er Rose auszureichen. „ Er übergab die Schachtel und den Blumentopf an den Mann und verabschiedete sich mit den Worten „Ich wünsche dir, dass du genau deine Rose findest und bevor ich es vergesse, die Samen verlieren täglich an Kraft“

Einerseits war der Mann recht dankbar über das Geschenk, das er erhalten hatte. Schließlich befand sich der Samen für die schönste Rose der Welt darunter. Andererseits war ihm noch nicht klar, wie er damit sein Ziel erreichen sollte. 1000 Samen, wie sollte er da genau den richtigen finden. Schließlich wollte er ja gleich mit dem ersten Versuch die richtige Rose haben und wie der weise Züchter sagte, die Samen halten nicht ewig. So beschloss er auf dem Rückweg, die Sache möglichst wissenschaftlich anzugehen um nur keinen Fehler zu machen.

Wieder daheim angekommen, begann er, die Samen zu klassifizieren, zu analysieren und zu bewerten, doch welches Kriterium er auch gerade wählte, er konnte sich nicht entscheiden, welcher der Samen denn nun der richtige ist. Immer wieder begann er von neuem sich Herangehensweisen zu überlegen und zwischendurch machte er sogar Genanalysen, die ihn jedoch auch nicht einer Entscheidung näher brachten. Völlig unbemerkt von ihm, verstrich die Zeit und er kam dem Ziel nicht näher. Eines Tages beschloss er, nochmal den weisen Rosenzüchter aufzusuchen und um Rat zu fragen. Schließlich hatte dieser ja die Aufgabe gelöst.

Bei ihm angekommen erläuterte er sein Anliegen. Der Rosenzüchter nahm ihn an der Hand und sagte: „Kommt mit, ich zeig dir meine schönste Rose“ Die beiden verschwanden in den Rosengarten und in der Mitte angekommen standen sie vor einem kleinen Topf, mit einer Rose darin. Der Mann fragte ungeduldig den Rosenzüchter: „Wo ist denn nun die schönste Rose“ „Du stehst vor ihr“ antwortete der Rosenzüchter: „und ich sagte, es ist MEINE schönste Rose“ „Ich kann darin nicht viel schönes entdecken“ erwiderte der Mann verärgert: „mir scheint, du hast mich belogen mit den Samen“ „Nun mir scheint, du hast noch nicht ganz verstanden“, sagte darauf der Rosenzüchter, „wenn du wüsstest, was mich alles mit dieser Rose verbindet, dann kannst du auch verstehen, warum sie für mich und nur für mich die schönste Rose der Welt ist“

Nach einer kurzen, stillen Pause dämmerte dem Mann, was damit wohl gemeint war und in einem beruhigtem Ton fragte er: „Und wie hast du aus den 1000 Samen genau den richtigen gewählt“ „Ich kann dir nicht sagen, ob es DER beste Samen war. Ich nahm kurzentschlossen einen, bei dem ich ein gutes Gefühl hatte und wagte damit den Start. Ich beschloss, mit diesem Samen das Beste zu versuchen und verzichtete auf die verbliebenen 999. Mit jedem Tag, an dem sich der Samen entwickelte und zur Rose heranwuchs, wuchs in mir auch die Gewissheit, das richtige getan zu haben. Ich erkannte, dass in jedem Samen alles Potential vorhanden ist, um zu meiner schönsten Rose zu werden. Solange man den gepflanzten Samen seinen innersten und wichtigsten Werten entsprechend behandelt, wird man in der entstehenden Rose diese spezielle Schönheit wiederfinden. Wie wichtig ist es dann noch, ob die Rose exakt deinen ursprünglichen Vorstellungen entspricht? Vielleicht ist es für dich jetzt kein großes Geheimnis mehr, wenn ich dir verrate, dass du viele Chancen hast, die du ergreifen kannst. Wie viel Wert du der Bewertung beimisst, kannst nur du selbst bestimmen. Es liegt an dir, ob du die Samen Samen bleiben lässt oder ob du einen Samen pflanzt und hegst und so deine schönste Rose Realität werden lässt.



DU entscheidest, in diesem Moment.



Mein Rosensamen hat mich vor über 20 Jahren entdeckt     -     RZ

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Man muss dem Herzen schenken!

Während seines ersten Aufenthaltes in Paris ging der deutsche Schriftsteller
Rainer Maria Rilke(1875-1926) jeden Mittag in der Begleitung einer jungen
Französin an einer alten Bettlerin vorbei. Stumm, starr, unbeweglich und
unbeteiligt saß sie Tag für Tag auf einem Mauerstück eines öffentlichen Gartens.
Zu keinem Geber sah sie auf. Sie bat nicht und dankte nicht. Hatte einer
ein Geldstück in ihren Handteller gelegt, dann holte sie die Hand zu sich
zurück, ließ die Münze in ihrer Kleidertasche verschwinden und schickte die
aufgetane Hand wieder von sich fort.
Während nun die Französin die Bettlerin stets mit einer ansehnlichen Gabe
bedachte, spendete Rilke keinen Sou. "Man müsste ihrem Herzen schenken,
nicht ihrer Hand", sagte er ihr, als sie sich über sein Verhalten wunderte. Am
nächsten Mittag trug der Dichter eine kaum erblühte weiße Rose zart, behutsam
und gütig zwischen den Spitzen seiner Finger. Über das Gesicht der
Freundin lief Freudenröte. Sie dachte: "Mir eine Rose aus der Hand Rainer
Maria Rilkes!" Doch sie bekam die Rose nicht. Bei der Bettlerin angekommen,
stand der Dichter still und legte die weiße Rose in die geöffnete Hand
der alten Frau. Da geschah, was bisher noch nie geschehen war: Die Bettlerin
sah zum Geber empor. Mehr noch: sie stand auf, griff nach der Hand des
fremden Mannes, küsste sie und ging mit der Dichterrose fort.
An den folgenden Tagen mied Rilke die Straße der Bettlerin. Die Freundin
hingegen konnte es nicht unterlassen, alle Tage den gewohnten Weg zu
gehen, nur um - wie sie sich selbst zur Entschuldigung sagte - der Bettlerin
die ihr täglich zustehende Münze zu geben. Doch zu ihrer großen Verwunderung
traf sie die Bettlerin nicht an. Nach einer Woche hielt sie das Schweigen
nicht länger aus. Sie war entschlossen, mit dem Dichter über die Wirkung
seiner Gabe zu sprechen, und zwar sobald er das nächste Mal an der Bettlerinstraße
vorübergehen wollte. Aber genau in dem Augenblick, da sie ihre
Frage stellen wollte, bog Rilke in die seit einer Woche gemiedene Straße ein.
"Jetzt können wir wieder hier entlanggehen, denn sie sitzt heute wieder an
ihrem Platz." Die Freundin war nur noch eine einzige Frage. Der Dichter hatte
recht. Die alte Bettlerin saß wie gewohnt auf dem Mauerstück: stumm,
starr, unbeweglich, unbeteiligt. Und während die Rilke-Freundin eine Münze
in die ausgestreckte Hand legte, die größer war als je zuvor, und die Bettlerin
diese auf die übliche Weise verschwinden ließ, gab Rilke nichts. Die Freundin
aber hatte eine Frage, die sie nicht unterdrücken konnte: "Wovon hat sie
all die Tage, da niemand Geld in ihre Hand legen konnte, gelebt?" Rainer
Maria Rilke antwortete ihr: "Von der Rose!"

Aus: Hans Franck, Das Herzgeschenk, Hannover 1954.

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Der alte Gärtner und der König

Zu einer Zeit, in der die Menschen noch ihren Träumen trauten, lebte ein kleiner König glücklich und zufrieden. An dem Abend aber, an dem unsere Geschichte ihren Anfang nimmt, war seine Lebensfreude getrübt. Der kleine König machte sich große Sorgen. Sosehr er es auch versuchte, er konnte einfach nicht einschlafen. Bald schon war er wieder aus seinem Bett geklettert, hatte die Kerzenstummel auf dem alten Leuchter angezündet und sich in den Erker gesetzt. Obgleich alles um ihn herum sehr still war, wurde der König immer unruhiger und lief, tief in Gedanken versunken, in seinem Zimmer auf und ab. Sehnsucht und Ungewissheit, verhaltene Freude und empfindlicher Schmerz kämpften in ihm. „Das Leben ist so seltsam und widerspruchsvoll“, sagte er zu sich. „Wie sehr habe ich mich auf diesen Tag gefreut, wie habe ich ihm entgegengefiebert. Morgen darf ich endlich das Mädchen, das mir so viel bedeutet, zur Frau nehmen. Aber neben froher Gewissheit erfüllt mich auch Ungewissheit, neben tiefem Vertrauen auch Angst.“

Es dauerte lange, bis er in dieser Nacht dann doch noch in einen leichten Schlaf fiel und träumte: Er sah sein ganzes Königreich. In der Mitte befand sich ein Schloss. Fahnen und Buchsbäume schmückten das Tor, in dem er sich selbst und seine junge Frau erkannte. Mit den Jahreszeiten veränderte sich das Bild. Der Winter kam, das Tor war verschlossen, und ein dichter Mantel aus Schnee hüllte das ganze Land ein. Das Frühjahr kam und der Sommer. Abermals öffnete sich das Tor, und wieder erschien das Königspaar. Aber jetzt waren beide merklich älter geworden. Gleichzeitig wuchs aus dem Schloss ein Rosenstock hervor. Seine Dornen standen spitz und drohend gen Himmel. Langsam entfaltete sich eine Blüte, so leuchtend wie ein Sonnenaufgang. In der Blüte funkelten einige Tropfen Morgentau, so wie Tränen funkeln können. Auch der Rosenstock veränderte sich mit den Jahreszeiten. Die Rosen erblühten und verblühten, der Winter kam, das Frühjahr. Der Rosenstock begann wieder Knospen zu treiben, bis an einem sonnigen Tag eine neue Blüte aufbrach. Dann war es, als ob der kleine König wie von Ferne eine Stimme hörte: „Die Wahrheit“, sagte sie, „das, was wirklich wesentlich ist im Leben, muss erlitten werden. Nur wer Lachen und Weinen, Liebe und Leid erfahren hat, wird wirklich glücklich werden.“

Frühmorgens erwachte der kleine König unausgeruht. Er erinnerte sich seines merkwürdigen Traumes und sann darüber nach, was er wohl zu bedeuten habe. Allein, er vermochte das Geheimnis nicht zu entschlüsseln. So beschloss er, den alten Gärtner aufzusuchen. Der war ein lebenskundiger Mann und wusste ihm wohl Antwort zu geben, zumal die Rose eine so wichtige Rolle in seinem Traum gespielt hatte. „Eine Rose“, wiederholte der Alte nachdenklich, „keine Blume ist so reizvoll, so voller Leben, und keine Blume ist gleichzeitig so widerspruchsvoll. Man kann sich an ihr erfreuen und ihre Schönheit bewundern, aber man kann sich auch empfindlich an ihren Dornen verletzen. Die Rose ist so geheimnisvoll wie das Leben selbst. Vielleicht liegt sie uns Menschen deshalb so am Herzen. Von alters her drücken Liebende ihre Zuneigung durch das Zeichen der Rose aus – das ist sehr klug. Die Menschen haben große Worte, aber wie viel klarer und eindringlicher redet manchmal eine einzige Blume über die Wahrheit des Lebens.“ „Aber was sagt sie denn?“ fragte der König ungeduldig. „Das ist nur schwer mit Worten zu erklären“, antwortete der alte Gärtner. „Man muss es mit dem eigenen Leben erfahren. Es ist so, wie es dein Traum sagt: Die Wahrheit, das, was wirklich wesentlich ist im Leben, muss erlitten werden.“

Darauf führte der Gärtner den König in seinen Garten und zeigte ihm zwei Rosenstöcke. Zunächst waren sie kaum voneinander zu unterscheiden. Sah man jedoch genauer hin, dann erkannte man, dass der eine Stock keine Dornen hatte, während der andere voll davon war. „Diese Rosen ohne Dornen sind solche, wie wir Menschen sie züchten“, erklärte der Gärtner. „So wie wir Rosen ohne Dornen züchten, so möchten wir auch leben: ohne Schmerzen und Verletzungen, ohne Leid und Tränen. Aber das Leben ist anders. Es kann sehr wehtun, Wunden schlagen und Tränen kosten. Nur der kann wirklich lachen, der auch gelernt hat, zu weinen. Ebenso kann nur der wirklich lieben, der weiß, wie schmerzlich Liebe sein kann. So wie in unserem Leben Lachen und Weinen, Lieben und Leiden zusammengehören, finden sich auch am Rosenstock Blüten und Dornen, Deshalb ist die Rose das Zeichen für die Liebe.“ Darauf schwieg der Alte eine Weile, bis er eine besonders schöne Rose vom Strauch mit den Dornen schnitt und sie dem König schenkte: „Nehmt diese Rose, sie wird euch begleiten. Ihr habt Zeit, viel Zeit. Euer gemeinsames Leben muss wachsen und reifen wie die Blumen und Bäume. Wenn eine Rose in deinem Traum aus dem Schloss erwuchs, dann ist dies ein bedeutungsvolles Zeichen: Das Schloss ist euer gemeinsamer Lebensraum. Ihr müsst diesen Raum mit eurer Liebe ausfüllen und beleben. Es soll „leidenschaftliche“ Liebe sein, die den anderen leiden und erleiden kann. Wer wirklich liebt, der kann auch die Wunden ertragen, die ihm zugefügt werden. Was zwei Menschen wirklich verbindet, sind nicht allein das Schöne, das sie gemeinsam erlebten, sondern Tränen, die füreinander geweint, Schwierigkeiten, die miteinander gemeistert, und Schmerzen, die gemeinsam getragen wurden.

Mit dem alten Zeichen der Rose wünsche ich euch nicht ein Leben ohne Dornen und Wunden. Das gibt es nicht. Aber ich wünsche euch, dass ihr euch auch dann noch liebevoll annehmt, wenn ihr euch wehgetan habt.“

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